[beratungs-] resistent

Ich erinnere mich an ein Gespräch unter Freunden. Die Runde am Tisch war lebhaft und der Wein schmecke hervorragend. Wir, das waren zwei Selbstständige, einige Führungskräfte aus unterschiedlichen Hierarchieebenen und ein Vorstandsvorsitzender. Das gerade diskutierte Thema waren Mitarbeitergespräche, da diese am Anfang des Jahres zu führen sind und alle mehr oder weniger sich damit beschäftigten. Beurteilungen wurden gerade geschrieben und die Bewertung der variablen Vergütung festgelegt oder vorgeschlagen. Natürlich wurde verglichen. Es wurden Mitarbeitertypen klassifiziert. Ich nahm einen Schluck aus meinem Glas und beobachtete die Runde. Es wurde rege gesprochen. Man fühlte sich als Leidensgenossen und Förderer und dies in einem auferlegten Rhythmus der jährlichen Wiederkehr. Ich setzte mein Glas ab. „Und wie ist es bei euch? Was habt ihr euch persönlich für das nächste Jahr vorgenommen? Und was macht ihr? Seminare oder habt ihr einen Coach?“


Die Runde schaute mich irritiert an. Ich hatte sie sichtbar mit meiner Frage aus dem Einklang gerissen. Viele setzten sich zurück. Lehnten an ihren Rückenlehnen. Schweigen. Immer noch Schweigen. 


„Also, ich habe natürlich auch ein Mitarbeitergespräch mit meinem Vorgesetzten. Ich muss aber sagen, dass ich für Seminare und so z.Z. keinen Bedarf sehe. Ich lass mich mal überraschen, was mein Chef so sagt. Der ist sehr zufrieden mit mir und ich habe ehrlich gesagt genug um die Ohren.“


„Bei mir ist es ähnlich. Außerdem haben wir alle schon so viel gemacht.“


„Ich hätte Lust mir fachlich das ein oder andere anzuschauen. Und zum Thema Führung habe ich eine offene Tür bei meinem Chef. Wenn ich denn ein Thema habe und das mit ihm besprechen möchte.“ 


Tja, da ist sie  - die Falle der Führungskräfte bzw. des Managements. Hat man die Karriereleiter erklommen, geht dieses scheinbar mit einer fehlenden Energie für die eigene geführte, persönliche Weiterentwicklung einher. Früher wurde sich in diesem Kreis angefeuert, dass Seminar zu belegen oder die neue Methode auszuprobieren. Und wir gratulierten uns, wenn einer für ein Entwicklungsprogramm, wie zum Beispiel Mentoring, nominiert wurde. Werfen wir einen genauen Blick auf dieses, nenne wir es ruhig „Krankheitsbild“: 


Krankheit der übertriebenen Arbeitswut

Da haben wir die gängige Krankheit der übertriebenen Arbeitswut. Die Fremdbestimmung steigt im Management sprunghaft an. Die Zeit wird zu einem der kritischen Faktoren. Die nötige Ruhe zur Rast wird vernachlässigt.


Krankheit der einsamen Spitze

Als Führungskraft wird man einsam. Sparring in Form von kollegialen Umgang wird schwieriger. Ein guter Ersatz in Form von Coachings ist leider oftmals nicht ausreichend „hoffähig“.


Krankheit des „geistigen Alzheimers“ 

Man neigt dazu nur die eigenen Launen und Leidenschaften, vielleicht auch nur die eigenen Ideen zu sehen. Um sich herum baut sich damit eine Mauer aus Gewohnheit. 


Krankheit des fehlenden Lernens

Die Zahl der Ja-Sager nimmt um einen herum zu und die Selbstreflexion bleibt auf der Strecke. Lebenslanges Lernen wird gerne propagiert, aber selbst weniger gelebt. Man scheint müde zu werden. Dabei ist es wissenschaftlich neurobiologisch erwiesen, dass jeder lebenslang lernen kann. 


Als ich mit meinem Krankheitsbild fertig war, ist ehrlich gesagt die Stimmung im Raum … Sie wissen schon. Aber dann passierte etwas. Einer von uns köpfte die nächste Weinflache. Wie auf ein Zeichen ging es wieder los. Ein freudiger Austausch über die Krankheitsbilder setzte ein. Unser Fazit: Ein Gegenmittel auf Rezept gibt es nicht, aber eine hohe Wahrscheinlichkeit auf Heilung.